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13.03.2023

Was wir machen, wer wir sind

In unserer Serie, in der wir in loser Reihenfolge die große Bandbreite der Tätigkeitsfelder von Physiotherapeuten und -therapeutinnen zeigen, stellen wir heute Andreas Fründ vor. Nach dem Studium der Sportwissenschaft auf Lehramt an der Uni Bielefeld, einer dreijährigen Ausbildung zum Krankengymnasten an einer damals neu entstandenen Schule für Krankengymnastik in Bad Oeynhausen mit dem Anerkennungsjahr in einer neurologischen Fachklinik und einem Akutkrankenhaus, danach 2,5 Jahre in einer Klinik für Orthopädie/Onkologie, Lehrtätigkeit ein einigen Physiotherapieschulen, leitet er seit dreiunddreißig Jahren die Abteilung Physiotherapie im Herz- und Diabeteszentrum NRW, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum (HDZ NRW) in Bad Oeynhausen und ist seit 2000 Leiter der Arbeitsgemeinschaft Herz-Kreislauf von PHYSIO-DEUTSCHLAND.

Der Tod gehört zum Leben…
…und Tod muss man lernen. 

Wer als Physiotherapeut oder Physiotherapeutin auf einer Intensivstation arbeitet, muss sich früh damit auseinandersetzen, dass Patientinnen und Patienten sterben können. Aber im Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum werden die Mitarbeitenden aufgefangen mit Hilfe von Supervision, psychologischer Betreuung oder Verabschiedungszeremonien, die in der Klinik für angeborene Herzfehler stattfinden. Denn es trifft die Mitarbeitenden, trotz aller Professionalität, wenn ein Kind stirbt oder ein junger Sportler, dessen Erkrankung nicht frühzeitig erkannt wurde und der nicht hätte sterben müssen.  Eigentlich heißt es: "vor Gott sind alle Menschen gleich", auf der Intensivstation sind sie es schon eher. 


Reanimationsschulungen und Delirmanagement

Alle, die einen Führerschein gemacht haben, müssen auch den 1.Hilfe Kurs absolvieren und wahrscheinlich hoffen alle, dass sie ihn nie brauchen werden. Physios, die in einem Akutkrankenhaus mit Herz- und/oder Diabetespatienten arbeiten, kommen jedoch sehr wahrscheinlich in die Situation, das Wissen ihrer Reanimationsschulung auch anwenden zu müssen. 80 Prozent der Kolleginnen und Kollegen kommt, laut Aussage von Andreas Fründ, früher oder später in die Situation, jemanden wieder beleben zu müssen oder im Falle eines Notfalls Teil des Teams zu sein. Ebenso wie das Arbeiten als Teil des Delirmanagement, dem richtigen Umgang mit Menschen mit Verwirrtheitszuständen, zum Alltag gehört. Gerade bei geriatrischen Patienten stellen Verwirrtheitszustände eine sehr häufige Problematik dar. Zwei von vielen Zusatzqualifikationen, die nur am Rande mit Physiotherapie zu tun haben, dennoch unerlässlich sind für die Arbeit auf einer Intensivstation.


Alltag auf der Station - gibt es den?

Es gibt feste Abläufe. Die Physios erwerben ihre Routine, aber dennoch ist jeder Tag anders. Vorhersehbar ist nur das Unvorhergesehene.  Es gibt nicht die Physiotherapie auf Intensivstationen, sondern die Physiotherapie beinhaltet eine Vielzahl von Methoden, Konzepten und Techniken, die am Patienten angewendet werden. Die Physiotherapie auf Intensivstationen arbeitet nach den Prinzipien: Durch physiotherapeutische Interventionen Reize setzen, die direkt und/oder indirekt die Wahrnehmung/das Bewusstsein, die Atmung, das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel und die Motorik des Patienten beeinflussen.

Im Normalfall einer Herzchirurgie verlassen die Patienten die Intensivstation am Tag nach der Operation und werden auf die Normalstation verlegt. Hier beginnt die Mobilisation der Patienten, wobei in den ersten zwei bis drei Tagen eine optimale Lungenfunktion angestrebt wird.

Intensiv fordern und fördern

Dass ein Sportler wie Andreas Fründ in der Intensivmedizin „landet“, hatte vor allem damit zu tun, dass dem damals jungen Physiotherapeuten eine Stelle angeboten wurde, in der er viel bewegen konnte. Er konnte seine Abteilung neu aufbauen und sein eigenes Team zusammenstellen unter Vorgesetzten, die seine Arbeit nicht nur schätzten, sondern ihm auch die Mitarbeit in verschiedenen Fachgruppen ermöglichten zum Beispiel in der Leitlinienerstellung, ihn dafür freistellten und die Reisekosten übernahmen. Gut fürs Renommee, gut für Andreas Fründ, aber vor allem gut für die Patienten.


Zeigen, was man kann

Immer wieder ist es die Frage, inwieweit die Physios auf Augenhöhe mit anderen Beschäftigten aus dem Medizinbereich zusammenarbeiten. Das Credo von Andreas Fründ ist so klar wie einfach „Sich nicht verstecken, sondern zeigen, was man kann und Präsenz zeigen“. Ganz offensichtlich funktioniert es gut in seinem Arbeitsumfeld. Wofür anderswo noch heftig gekämpft wird, ist im Universitätsklinikum in Bad Oeynhausen schon gelebter Alltag - die „Blankoverordnung“. Auf die Frage, warum das so ist, antwortete Andreas Fründ: "30 Prozent ist dabei dem Pragmatismus geschuldet, aber 70 Prozent dem Respekt vor unserem Job. Wir sind oft die Konstante in der Patientenversorgung. Während Patientinnen und Patienten bis zu fünfzehn verschiedene Pflegekräfte innerhalb einer Woche sehen, sind es nur ein oder zwei Physiotherapeutinnen oder -therapeuten."


Menschen behandeln, nicht Krankheitsbilder

Wer kennt nicht das Gefühl im Gesundheitsbetrieb „nur“ eine gebrochene Hüfte oder ein eingeklemmter Nerv zu sein und als Mensch irgendwie nicht mehr vorzukommen. Für Andreas Fründ ist der Blick auf den ganzen Menschen wichtig. Irgendwann musste er sich entscheiden, ob er noch am Patienten arbeiten will oder seine Energie ganz auf die Organisation verwendet. "Ich kann unmöglich mit dem Leitungshandy am Patienten arbeiten, da werde ich weder dem Patienten noch meinen Mitarbeitern gerecht," so Andreas Fründ. Aber ganz ohne Patientenarbeit mag er dann doch nicht sein. Er arbeitet allerdings nur noch wenig mit ambulanten Patientinnen und Patienten, aber leitet noch regelmäßig Gefäß- und Herzgruppen. 


Arbeitsgemeinschaft – ein Auslaufmodell?

Die Liste ist lang, was die Arbeitsgemeinschaft Herz- Kreislauf von PHYSIO-DEUTSCHLAND macht, deren Leiter Andreas Fründ seit Langem ist. Das Herausstellen der physiotherapeutischen Aufgaben in der Behandlung von Patienten mit Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen gehört dazu, aber auch die Vertretung des physiotherapeutischen Berufsstands gegenüber anderen in der Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislaufkranken tätigen Berufsgruppen oder die Erarbeitung und fortlaufende Erweiterung der theoretischen und praktischen Lehrinhalte der Ausbildung, sowie der Fort- und Weiterbildung. "Die Weiterbildung wird kaum nachgefragt und auch die Bereitschaft junger Kolleginnen und Kollegen mitzuarbeiten, ist gering", bedauert Andreas Fründ. 


Wer mehr über die Arbeitsgemeinschaft Herz- Kreislauf von PHYSIO-DEUTSCHLAND erfahren möchte, wird hier fündig.